Symbolbild

Mit kleinen Schritten Großes erreichen

Der Arbeitskreis Ethik der Braunschweiger Senioren- und Pflegezentren Bethanien und St. Vinzenz setzt sich für die Belange der Bewohnenden ein. Vieles konnte in den vergangenen Jahren umgesetzt werden.

Es ist ein kleines Detail, hinter dem jedoch große Bedeutung steckt. An vielen Fußenden der Betten in den Braunschweiger Senioren- und Pflegezentren Bethanien und St. Vinzenz befindet sich ein kleiner grüner Punkt. Doch auch wenn er noch so unscheinbar ist, verbergen sich hinter ihm die ganz großen Fragen – Fragen nach Selbstbestimmung und sogar Leben und Tod. Denn der grüne Punkt verweist auf ein kleines Heft, das am Kopfende der Bewohnenden versteckt ist. Es ist die Entscheidungshilfe zur medizinischen Versorgung im Notfall, die unter anderem anzeigt, ob der Bewohner, sollte es soweit kommen, eine Wiederbelebung wünscht oder nicht. Eine enorme Erleichterung in stressigen Notfallsituationen für Pflegekräfte und Ärzt:innen – und eine Versicherung, dass im Sinne der Bewohnenden entschieden wird. Dass es diese Entscheidungshilfen in den beiden Häusern gibt, ist vor allem dem Arbeitskreis Ethik (im Folgenden „AK Ethik“) zu verdanken. Dabei sind sie nur eine von vielen Veränderungen, die der Kreis in den vergangenen Jahren angestoßen hat.

Arbeitskreis Ethik

Die erste Sitzung des AK Ethik fand im Februar 2013 statt. Gegründet wurde er von der damaligen Qualitätsbeauftragten Andrea Wellmann. Derzeit setzt er sich aus Bethanien-Bewohnerin und Heimbeiratsvorsitzender Eva Carsch sowie GVP-Beraterin Manuela Malitzki, Andrea Fricke, seit fast 40 Jahren als Pflegefachkraft in Bethanien tätig, Jade Cehlius, Pflegefachkraft im St. Vinzenz, Seelsorgerin Heike Heckmann und den beiden externen Mitgliedern Helgard Walter-Freise und Andrea Wellmann zusammen. Walter-Freise ist pensionierte Richterin und hat somit einen scharfen Blick auf rechtliche Sachverhalte und Veränderungen. „Dass wir aus verschiedenen Generationen stammen und verschiedene berufliche Hintergründe haben, ermöglicht es uns, Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Das ist sehr hilfreich für unsere Arbeit“, sagt Malitzki.

Mit der Arbeit des AK Ethik verhält es sich ein wenig wie mit den grünen Punkten an den Betten. Die Gruppe arbeitet im Hintergrund, still und bescheiden. Doch die Auswirkungen, die ihre Arbeit hat, ist für die Bewohnenden, Mitarbeitenden und Angehörigen gleichermaßen spürbar.

Gemeinsam gegen die Einsamkeit

Eine längere Zeit beschäftigte sich der Arbeitskreis z. B. mit der Situation sterbender Bewohner und Bewohnerinnen. Es wurde u. a. ein Fragebogen für die pflegenden Mitarbeitenden erarbeitet, um die Ist-Situation und Vorschläge zur Verbesserung zu erfahren. Nach der Auswertung der Antworten wurde „Abend wird es wieder“ gegründet. Unter diesem Namen gelang es, Braunschweiger und Braunschweigerinnen zu regelmäßigen ehrenamtlichen Besuchen bei denjenigen Bewohnern und Bewohnerinnen Bethaniens zu gewinnen, die sonst wenig oder gar keinen Besuch erhielten. Leider mussten diese Besuche während der Coronazeit, wie so vieles, beendet werden und ließen sich danach auch nicht wieder ins Leben rufen.

Auf dem Aushang am Schwarzen Brett im Eingangsbereich können Sie vom AK Ethik lesen:
„Wir möchten mit Ihnen, den
- Bewohnern / Angehörigen / Nahestehenden
- Bevollmächtigten / Betreuern
- Mitarbeitenden / Hausärzten
ins Gespräch kommen, um nach Möglichkeit etwas zu verbessern, wo Ihnen die Würde, die Selbstbestimmungsmöglichkeit, die Individualität unserer Bewohnerinnen und Bewohner nicht ausreichend gewahrt erscheinen. Es wäre wichtig, das Unerlässliche und Wünschbare einerseits, das Machbare und das Finanzierbare andererseits miteinander zu bedenken. Ihre Fragen und Anregungen können helfen, dass ethische Anliegen im Alltag Bethaniens so weit wie möglich berücksichtigt werden.“

Eine der Aufgaben des AK Ethik sind Fallbesprechungen. Sind Bewohnende oder ihre Angehörigen unzufrieden mit einer Situation oder fällt Mitarbeitenden etwas auf und lässt das Problem sich nicht im persönlichen Gespräch unter den Beteiligten lösen, können sie sich an den AK Ethik wenden. „Die Bewohnenden unterschreiben mit dem Heimvertrag, dass die Mitarbeitenden und das Haus von der Schweigepflicht uns gegenüber entbunden werden. Dadurch können wir auch Einsicht in Unterlagen bekommen“, erläutert Carsch. „So können wir den jeweiligen Fall durchdringen und vermitteln.“

Arbeitskreis Ethik

Bei der Umsetzung ihrer Anliegen ist die Gruppe auf die Unterstützung der Heimleitung angewiesen. Walter-Freise sagt: „Ein Ethik-Kreis bringt Dinge ein, die verbessert werden sollen. Wer da als Leitung nicht souverän ist, fühlt sich schnell auf die Füße getreten. Aber in Bethanien und St. Vinzenz werden wir sehr gut wahrgenommen und unterstützt.“

Der AK Ethik konnte schon verschiedene Dinge anstoßen: Aus ihm heraus sind ebenso die Mundpflegeschulungen entstanden wie das Projekt „Abend wird es wieder“. Auch, dass es eine GVP-Beraterin für beide Häuser gibt, ist mit dem AK Ethik zu verdanken. Weitere, ganz handfeste Errungenschaften des AK Ethik waren z. B. Fernseher in den Quarantänezimmern während der Corona-Pandemie sowie die Anschaffung eines Gästebettes für Angehörige, die eine weite Anreise haben. Einen erheblichen zeitlichen Aufwand bedeutete auch die Organisation des Besuchsdienstes, der von Mitgliedern der Kirchengemeinde St. Johannis in Bethanien durchgeführt wurde. Leider wurde auch diese Wohltat für die Bewohnenden mit der Corona-Pandemie unterbrochen.

Theorie und Praxis verbinden

Auch theoretische Themen wurden in den vergangenen elf Jahren immer wieder behandelt. So haben die Mitglieder unter anderem das Ehegattennotvertretungsgesetz besprochen, sich mit heiklen Themen wie dem begleiteten Suizid befasst, verschiedene Patientenverfügungsvordrucke miteinander verglichen und immer wieder Veröffentlichungen zum Thema „Ethik in der Pflege“ und auch diesbezügliche Gerichtsurteile diskutiert.

Wie aus der Theorie dann ganz Praktisches entstehen kann, zeigen der grüne Punkt und die Entscheidungshilfe zur medizinischen Versorgung im Notfall. „Sie an alle Bewohnenden und Angehörigen zu verteilen, war viel Arbeit“, sagt Fricke. „Aber sie ermöglicht den Bewohnenden nicht nur mehr Selbstbestimmung, wenn sie sich nicht mehr äußern können, sondern entlastet auch Angehörige sowie Ärzte und Ärztinnen und Pflegekräfte. Darauf können wir wirklich stolz sein.“ In elf Jahren konnte der AK Ethik einiges umsetzen. Aktuell versucht er, das Ehrenamt für Begleitungen der Bewohnenden in Bethanien und im Haus St. Vinzenz wieder zu aktivieren.

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